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  • Dr. Mirjam Wagner

Hormonfrei Verhüten? Kann das wirklich sicher sein?

Aktualisiert: 20. Juli 2022

Mein Anspruch an die Verhütung ist groß:


⭐ Verhütung muss sicher sein.


⭐ Verhütung soll bestenfalls keine Nebenwirkungen haben.


⭐ Verhütung darf gerne positive Zusatzeffekte mit sich bringen.


⭐ Verhütung soll einfach in der Anwendung sein und in meinen Alltag passen.


⭐ Verhütung soll so natürlich wie möglich sein.


Bei der Wahl des Verhütungsmittels rückt heutzutage neben gesundheitlichen Aspekten, den individuellen Lebensumständen und dem Schutz vor Geschlechtskrankheiten, der Wunsch von Frauen, ihren Körper im natürlichen Hormonzyklus zu spüren, immer mehr in den Vordergrund. Zudem wird häufiger auf Nachhaltigkeit und Natürlichkeit bei der Verhütung geachtet.


Ich finde diese Entwicklung ganz großartig, da sie das Verständnis für den Körper und ein selbstbestimmtes Entscheiden in Sachen Familienplanung fördert - unabhängig davon welche Verhütungsmethode letztendlich gewählt wird.


Mein Weg ist schon seit einigen Jahren hormonfrei und ich bin sehr zufrieden damit. Keine Nebenwirkungen, dafür pures Körpergefühl in jeder Phase meines Zyklus. Zuvor hatte ich einiges ausprobiert: über 10 Jahre die Pille, dann das Hormonpflaster, der Nuvaring und schließlich bin ich zur Kombination von Natürlicher Familienplanung (NFP) und Kondom gelangt. Hier bietet die Senisplan® Methode eine tolle und wissenschaftlich belegte Möglichkeit sicher zu verhüten. Diese ist sogar vergleichbar sicher wie die Pille 😲. Ja richtig! Durch eine routinierte und intensive Körperbeobachtung kann man sicher verhüten.


Auf dem Kongress für Gynäkologie und Geburtshilfe im Oktober 2020 habe ich zur NFP eine Fortbildung besucht und mich darüber hinaus intensiv mit dem Thema Verhütung auseinander gesetzt - für mich selbst und für alle Menschen, die ich beraten darf. In diesem Artikel möchte ich mein Wissen zum Thema NFP mit dir teilen:


NFP bedeutet, wie schon gesagt, Natürliche Familienplanung und kann sowohl zur Empfängnisverhütung als auch zur Schwangerschaftsplanung bei Kinderwunsch angewandt werden. Der Sensiplan® ist eine symptothermale Methode der NFP. Hierbei werden mehrere Körperbeobachtungen, aber vor allem der Zervixschleim (Zervix = Gebärmutterhals), die Basaltemperatur deines Körpers und der Gebärmutterhals täglich beschrieben und auf einem dafür vorgesehenen Arbeitsblatt notiert. Hieraus werden die fruchtbaren Tage bestimmt.


Die Studienergebnisse sprechen für sich. Zur Verhütung kann zum Beispiel mit dem Sensipan® ein Pearl-Index von 0,4-1,8 erreicht werden, wenn während der fruchtbaren Tage auf Geschlechtsverkehr verzichtet wird. Der Pearl-Index ist ein Maß für die Zuverlässigkeit von Verhütungsmethoden. Er sagt uns, wie viele Frauen von 100 in einem Frauenjahr (= 12 Zyklen) schwanger werden trotz Anwendung des jeweiligen Verhütungsmittels. Zum Vergleich hat die Pille einen PI von 0,1-0,9 bei regelmäßiger Einnahme. Wer in den fruchtbaren Tagen nicht auf Sex verzichten möchte, kann auf Barrieremethoden wie zum Beispiel ein Kondom zurück greifen. Hier gilt dann aber der Pearl Index der gewählten Barrieremethode und es sollte ganz besonders auf die korrekte Anwendung geachtet werden.


Genug zur Statistik, hin zur Praxis. Wie funktioniert die NFP jetzt ganz genau?


1. Führe ein Zyklusblatt.


Auf einem Zyklusblatt werden alle Körperwahrnehmungen aufgezeichnet. Hierzu zählen: die Menstruationsblutung, die Konsistenz des Zervixschleims und die Empfindung am Scheideneingang, die Lage und Konsistenz des Gebärmutterhalses inklusive Beschreibung des Muttermundes und die Basaltemperatur. Außerdem werden weitere weniger spezifischere Symptome aufgezeichnet wie der Mittelschmerz, Brustspannen, Hautunreinheiten, Verdauungsprobleme, Stimmungsveränderungen/-schwankungen, Wassereinlagerungen oder ähnliches. Die Tage, an denen man Sex hat, werden markiert. Zusätzlich sollten Besonderheiten und mögliche Störfaktoren im Alltag eingetragen werden wie zum Beispiel Alkoholkonsum, Stress, exzessiver Sport, Schwankungen im Tag-Nacht-Rhythmus oder Reisen.


Ein Beispiel für ein solches Zyklusblatt zum Download findest du hier: Beispiel Zyklusblatt.


2. Messe jeden Morgen deine Basaltemperatur.


Jeden Morgen wird die Aufwachtemperatur mit einem Thermometer gemessen, entweder vaginal, anal oder im Mund. Du solltest die Temperatur ungefähr zur gleichen Zeit und auf die gleiche Art messen. Die Messdauer beträgt 3 Minuten. Speziell zur NFP hergestellte Thermomenter haben einen 3-Minuten-Timer, herkömmliche Digitalthermometer piepsen früher und müssen daher über den Signalton hinaus an der Messstelle belassen werden. Wenn das Messen zur gleichen Zeit schwierig für dich ist zum Beispiel wegen Schichtdienst oder weil du einfach mal ausschlafen möchtest am Wochenende, dann stelle sicher, dass du vor der Messung mindestens eine Stunde geruht hast.


In einem Zyklus mit Eisprung ist der Temperaturverlauf zwei-phasisch. Vor dem Eisprung ist die Temperatur niedriger als dannach. Nach dem Eisprung kommt es zu einem Progesteronanstieg im Körper, der wiederum ursächlich für den Temperaturanstieg ist. Intensive Einblicke zum weiblichen Zyklus und den Hormonen kannst du in meinem Blogartikel Mysterium Menstruationszyklus lesen.


So, jetzt wird es etwas kompliziert. Zur besseren Visualisierung habe ich dir eine kleine Zeichnung dazu angefertigt. Ein mit dem Eisprung zusammenhängender Temperaturanstieg hat dann stattgefunden, wenn wir drei hintereinander folgende Temperaturen (Dreiecke) messen können, die alle höher sind, als die sechs vorangegangenen Messungen (Punkte). Hierbei muss die dritte der höheren Messungen (drittes Dreieck) außerdem mindestens 2/10°C - dies entspricht 2 Kästchen auf dem Zyklusblatt oder mindestens 0,2°C - über der höchsten Messung der vorangegangen sechs niedrigeren Messungen liegen (also über dem höchsten Wert der Punkte, in diesem Fall der fünften der vorangegangenen erhöhten Messungen). Daraus können wir schließen, dass der Eisprung am ehesten am ersten Tag der Temperaturerhöhung (erstes Dreieck) oder maximal 2 Tage vor diesem stattgefunden hat. Natürlich gibt es wie bei jeder Regel auch hier Ausnahmen, auf die ich im Rahmen dieses Artikels allerdings nicht weiter eingehen möchte. Um ganz sichere Aussagen zu tätigen, sollte man die NFP bereits über 12 Zyklen durchführen.


Zugegebenermaßen klingt das auf dem ersten Blick etwas schwierig zu überblicken. Mit etwas Übung kommt man allerdings schnell zurecht.


Die NFP arbeitet immer mit dem Prinzip der doppelten Kontrolle. Deshalb wird zur Fruchtbarkeitsbeurteilung zusätzlich der Zervixschleim mit einbezogen.


3. Beschreibe deinen Zervixschleim.

Der Zervixschleim ist unser natürlicher Östrogenmarker und wird am Vaginaleingang durch sanftes Tasten mit dem Finger gemessen. Mit der steigenden Östrogenkonzentration in der ersten Zyklushälfte wird der Zervixschleim flüssiger und klarer. Am Anfang des Zyklus ist er oft gar nicht messbar. In dieser Phase haben viele Menschen ein Gefühl der Trockenheit oder sogar ein leichtes Jucken in der Vulva. Je dünnflüssiger der Zervixschleim wird, desto eher fließt er vom Gebärmutterhals Richtung Vaginaleingang und wird für uns sichtbar. Zuerst ist er weiß, vielleicht etwas bröcklig und dickflüssig. Mit Nähe zum Eisprung wird er immer klarer und flüssiger. Zu seinem Höhepunkt ist er spinnbar wie ein Faden, wenn man ihn zwischen Zeigefinger und Daumen zieht. Das Empfinden am Vaginaleingang wird mit der Nähe zum Eisprung immer feuchter und kann sogar etwas ölig sein.


4. Taste deinen Gebärmutterhals.


Zusätzliche Sicherheit zur Einschätzung der Tage kann mit dem Tasten des Gebärmutterhalses und Muttermundes erreicht werden. Tatsächlich verändert sich nämlich Position und Konsistenz des Gebärmutterhalses sowie die Öffnung des Muttermundes während des Zyklus. Nach der Menstruation ist der Gebärmutterhals für viele Menschen in der Vulva mit dem Finger ertastbar. Seine Konsistenz ist derb, der Muttermund ist geschlossen. Zum Eisprung wandert der Gebärmutterhals etwas nach oben innen. Die Konsistenz wird weicher und der Muttermund öffnet sich leicht. Wenn du deinen Gebärmutterhals nicht selbst tasten kannst, ist das kein Problem. Dies ist kein Ausschlusskriterium zum natürlichen Verhüten.


An welchen Tagen bist du nun genau fruchtbar?


Das fruchtbare Fenster kann mit der sogenannten Minus-8-Regel bestimmt werden. Hiernach ist der letzte unfruchtbare Tag am Zyklusanfang der Tag der ersten der drei höheren Basaltemperaturmessungen (erstes Dreieck in Bild 1) minus 8 🤷‍♀️. Diese Berechnung erfolgt mit 8 Tagen, weil der Eisprung wahrscheinlich entweder am Tag der ersten Temperaturerhöhung oder maximal 2 Tage davor war. Spermien sind maximal 5 Tage in der Gebärmutter bzw. in den Krypten des Gebärmutterhalses, in denen sie verweilen können, überlebensfähig. Zählt man also von dem Tag der ersten höheren Temperaturmessung (erstes Dreieck) rückwärts, erhält man 2+5 = 7 potentiell fruchtbare Tage vor, sowie einen Tag nach der Temperaturerhöhung, da eine Eizelle selbst nach dem Eisprung nur ca. 12-16 h befruchtbar ist. Tag 8 vor der ersten Temperaturerhöhung wäre demnach der letzte unfruchtbare Tag. Insgesamt kann man also auch von 8 potentiell fruchtbaren Tagen sprechen (7 vor + 1 nach der Temperaturerhöhung = 8), wobei die Spermien in der Regel etwas kürzer leben als 5 Tage und man daher realistischerweise eher von maximal 6 Tagen im Monat ausgeht.


Zu kompliziert? Auch hierzu habe ich eine kleine Übersicht für dich aufgezeichnet.



Sollte am - nach dieser Regel berechneten - letzten, unfruchtbaren Tag allerdings schon flüssiger, spinnbarer Zervixschleim sichtbar sein oder empfunden werden, gilt dieser Tag bereits als fruchtbar. Im Prinzip der doppelten Kontrolle gilt immer, das erste Zeichen für Fruchtbarkeit zählt - ob Temperaturanstieg oder Spinnbarkeit des Zervixschleims. Das fruchtbare Fenster endet am dritten Tag nach der Temperaturerhöhung (drittes Dreieck) oder drei Tage nach dem Höhepunkt der Spinnbarkeit des Zervixschleims. In der doppelten Kontrolle gilt wieder, das erste Anzeichen beendet das fruchtbare Fenster.


Neben dem Sensiplan® sind mittlerweile einige Produkte auf dem Markt, die Versprechen den Zyklus besser kennen zu lernen. Aktuell kenne ich hierzu allerdings keine validen Studien, die eine Verhütungssicherheit bei der Anwendung vergleichbar mit dem Sensiplan® belegen. Außerdem beziehen sich diese Apps in der Regel auf Daten des vorherigen Zyklusmonats, was bei der individuellen, großen Schwankungsbreite der einzelnen Zyklen recht ungenau ist.


Zyklusbeobachtungen öffnen auf jeden Fall Augen, Ohren und Sinne für den eigenen Körper. Und das ist wunderbar. Egal ob es um Verhütung oder Kinderwunsch geht oder einfach nur darum, seinen eigenen Körper besser kennenzulernen. Denn fast automatisch entsteht hierbei ein Verständnis für die eigene Biologie, den Zyklus und die Fruchtbarkeit.


NFP zur Verhütung ist ohne Frage mit Übung verbunden. Verlässliche Aussagen für die Verhütungssicherheit dürfen erst nach 12 Zyklusbeobachtungen angenommen werden. Dennoch bekommt man in der Regel bereits nach 4-6 Monaten einen guten Eindruck von seinem Zyklus.


Vom Handling sind es ein paar mehr Handgriffe als täglich die Pille einzunehmen oder sich eine Spirale einsetzen zu lassen. Es ist also einiges an persönlichem Engagement und etwas Geduld nötig. Für einige Frauen ist sie sicherlich schwierig, vielleicht auch gar nicht in den Alltag zu integrieren. Noch vor ein paar Jahren konnte ich mir das selbst nicht vorstellen.


Um die Sensiplan® Methode zu erlernen, bietet die Arbeitsgemeinschaft für NFP regelmäßig Kurse an. Mehr dazu könnt ihr auf ihrer Webseite erfahren unter www.nfp-online.de oder www.sensiplan.de. Das Buch hierzu "Natürlich und sicher verhüten" kann ich jeder Frau, die sich dafür interessiert, wärmstens ans Herz legen.


Zusammenfassend möchte ich sagen:


Verhütung ist Typsache. Nicht jede Verhütung passt zu jedem Menschen. Im Laufe des Lebens ändern sich häufig die Einstellungen zur Verhütung und die Bedürfnisse der verhütenden Personen. Bei mir war das auf jeden Fall so. Es gab Zeiten, da war die Pille oder eine andere hormonelle Verhütungsmethode für mich wahrscheinlich das Passendste. Seit einigen Jahren bin ich nun sehr happy ohne Hormone.


Viele Menschen möchten mittlerweile ohne Hormone verhüten: gesund, sicher und natürlich. Der Wunsch den eigenen Körper wahrzunehmen, die einzelnen Zyklusphasen zu spüren, im Einklang mit dem eigenen Zyklus zu leben und ihrer Fruchtbarkeit bewusst zu sein (fertility awareness) ist nicht nur ein großes Thema meiner Generation, sondern generationsübergreifend dieser Zeit.


Mir ist es ein großes Anliegen zu sagen, dass es viele Wege gibt sicher zu verhüten - auch hormonfreie. Wichtig ist vor allem, dass die Verhütungsart in der aktuellen Lebensphase zur Frau bzw. zum Paar passt. Welche das genau ist, darf jeder Mensch oder jedes Paar individuell und in Ruhe für sich herausfinden - damit der Sex frei und ohne Angst genossen werden kann.


Ich hoffe, du konntest die ein oder andere wertvolle Erkenntnis in Sachen natürlich verhüten aus meinem Artikel gewinnen. Bei weiteren Fragen oder dem Wunsch nach einem persönlichen Verhütungscoaching, kontaktiere mich gerne.




Rechtlicher Disclaimer: Dieser Artikel soll dir einen Einblick in die Welt der NFP geben. Es gibt viele Ausnahme Regeln im Sensiplan®, auf die ich in der Kürze des Artikels nicht näher eingehen konnte. Dieser Artikel ist also nicht geeignet als Anleitung zum Durchstarten in die NFP. Dafür empfehle ich eine ausführliche Beratung durch eine/n NFP-Berater*in oder ähnliche Fachexperten. Der Artikel enthält keine bezahlte Werbung.

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