Es war ein gewöhnlicher Nachmittag in der Praxisvertretung, als eine 30-jährige Patientin zur Vorsorge in meine Sprechstunde kam. Sie hatte vor, demnächst die Pille abzusetzen, weil sie und ihr Partner sich ein Kind wünschten. Bei der Untersuchung war alles in Ordnung, und die Patientin hatte sich bereits ausgiebig informiert, worauf sie beim Absetzen der Pille achten sollte – wie etwa rechtzeitig mit der Einnahme eines Folsäurepräparats zu beginnen.
Auf dem Weg zur Tür drehte sie sich jedoch zögerlich um und fragte:„Ich hätte da noch eine Frage. Auch wenn es komisch klingt: Ich habe gegoogelt und gelesen, dass manche Frauen nach dem Absetzen der Pille ihre Partner nicht mehr riechen können. Stimmt das?“
Ich musste schmunzeln. Erst eine Stunde zuvor hatte mir eine Frühschwangere besorgt erzählt, dass sie den Körpergeruch ihres Mannes seit dem positiven Schwangerschaftstest nicht mehr mochte. Ich bat die Patientin, sich noch einmal zu setzen, und nahm mir Zeit, ihre Frage in Ruhe zu beantworten
Welche Ursachen für eine veränderte Geruchswahrnehmung gibt es?
Was auf den ersten Blick wie eine „Laune der Nase“ erscheint, kann tatsächlich viele verschiedene Ursachen haben. Manchmal riecht der Partner tatsächlich anders – etwa durch ein neues Waschmittel, Deo oder Parfüm. Auch Veränderungen in der Hygiene, vermehrtes Schwitzen (z. B. nach Sport oder durch synthetische Kleidung) oder eine Ernährungsumstellung können eine Rolle spielen.
Auf der anderen Seite kann auch die Wahrnehmung des Geruchs gestört sein. Mögliche Gründe dafür sind unter anderem:
Rauchen
Mangelernährung (z. B. Zink- oder Vitaminmangel)
Stress
Emotionale Konflikte oder Gefühlschaos
Infektionen, Nasenpolypen oder Allergien
Hormonelle Schwankungen (z. B. Schwangerschaft, Zyklusstörungen, Absetzen der Pille)
Migräne oder neurologische Erkrankungen
Altersbedingte Veränderungen
Ganz unrecht hatte Dr. Google also nicht. Doch was steckt konkret hinter der Idee, dass die Pille und der Geruchssinn miteinander zusammenhängen könnten? Hier kommt die Biologie ins Spiel.
Wie die Pille unseren Geruchssinn beeinflussen kann
Die hormonelle Verhütung mit der Pille unterdrückt den natürlichen Hormonzyklus. Der Wechsel zwischen Östrogen, dem dominanten Hormon der Follikelphase, und Progesteron, dem Hauptakteur der Lutealphase, bleibt aus. Stattdessen bleibt der Hormonspiegel konstant auf dem Level, das die jeweilige Pille vorgibt. Kein Eisprung, keine Schwangerschaft – zumindest unter regelrechter Einnahme.
Diese hormonellen Bedingungen sind zwar nicht gleich denen einer Schwangerschaft, wohl aber in einer Sache, auch der Körper, der gerade schwanger ist, kann nicht nochmal schwanger werden. Und diese Info könnte Einfluss auf die Partnerwahl haben.
Unterschiedliche Immunsysteme riechen anders
Der Major Histocompatibility Complex (MHC) ist eine Gruppe von Genen, die für die Immunabwehr entscheidend ist. Bereits ältere Studien, wie die von Wedekind et al. (1995), zeigen, dass Frauen ohne hormonelle Verhütung unbewusst Partner bevorzugen, deren MHC-Gene sich von den eigenen möglichst stark unterscheiden. Diese genetische Vielfalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, gesunde und widerstandsfähige Nachkommen zu bekommen.
Während der Schwangerschaft – oder unter dem Einfluss der Pille – verschiebt sich diese Präferenz laut Roberts et al. (2008). Dann könnten Frauen Partner mit ähnlicheren MHC-Genen bevorzugen, da diese als „sicher“ und „vertraut“ wahrgenommen werden – ein Vorteil in einer vermeintlich schutzbedürftigen Phase.
Das könnte auch erklären, warum manche Schwangere plötzlich abgeneigt auf den Geruch ihres Partners reagieren. Nach dem Absetzen der Pille, wenn der natürliche Zyklus zurückkehrt, ändert sich diese Präferenz möglicherweise wieder.
Geruch und Partnerwahl
Der Geruch spielt eine wesentliche, aber oft unterschätzte Rolle bei der Partnerwahl. Über Pheromone – chemische Duftstoffe, die unser Körper aussendet – kommunizieren wir unbewusst genetische Informationen. Wenn ein Geruch „passt“, signalisiert das unserem Gehirn genetische Kompatibilität.
Nach dem Absetzen der Pille kann es theoretisch passieren, dass du die Gerüche um dich herum, einschließlich deines Partners, anders wahrnimmst. Doch diese Veränderungen müssen nicht von Dauer sein und müssen auch nicht störend oder für die Anziehung in deiner Partnerschaft ein Problem darstellen.
Bedeutet das, meine Beziehung ist in Gefahr?
Nein. Der Geruch ist nur ein Baustein bei der Partnerwahl, und viele Faktoren – wie emotionale Nähe, gemeinsame Werte, Liebe und Unterstützung – machen eine Beziehung aus.
Selbst wenn du eine Veränderung bemerkst, gerate bitte nicht in Panik. Es ist kein eindeutiges Signal dafür, dass du nicht zu deinem Partner passt. Beziehungen sind weit komplexer als ein hormoneller oder pheromonbasierter Mechanismus und Partner*innen, die sich ähnlicher und einiger sind in entscheidenden Themen des Lebens, haben statistisch gesehen, sogar bessere Chancen zusammen zu bleiben als stark unterschiedliche.
Was kannst du tun, wenn sich der Geruchssinn nach Absetzen der Pille verändert und dich das stört?
Geduld haben: Gib deinem Körper Zeit, sich zu regulieren. Das kann drei bis sechs Monate, manchmal sogar länger dauern.
Reflektieren: Überlege, ob wirklich der Geruch deines Partners/deiner Partnerin oder andere Veränderungen in eurer Beziehung für dich problematisch sind.
Kommunizieren: Sprich offen mit in deiner Partnerschaft über das, was dich beschäftigt.
Praktische Dinge prüfen: Könnte ein neues Deo, Parfüm, Waschmittel oder veränderte Essgewohnheiten die Ursache sein? Das ist einfach zu lösen.
Professionellen Rat einholen: Wenn die Veränderungen euch belasten, kann auch paartherapeutische Unterstützung hilfreich sein.
Fazit
Dass sich nach dem Absetzen der Pille dein Geruchssinn – und vielleicht auch deine Wahrnehmung deines Partners – verändert, ist ein bekanntes, aber noch nicht vollständig geklärtes Phänomen. Es zeigt, wie eng Hormone und unsere Sinne miteinander verknüpft sind.
Doch keine Sorge: Eine gesunde Beziehung beruht auf viel mehr als auf einem einzigen Sinn. Gib dir und deinem Körper Zeit, sprich mit deinem Partner oder deiner Partnerin darüber und bleibt offen für Veränderungen.
In Liebe zur Liebe, deine Mirjam
Quellen:
Roberts, S. C., Gosling, L. M., Carter, V., & Petrie, M. (2008). MHC-correlated odour preferences in humans and the use of oral contraceptives. Proceedings of the Royal Society B, 275(1652), 2715–2722.
Wedekind, C., Seebeck, T., Bettens, F., & Paepke, A. J. (1995). MHC-dependent mate preferences in humans. Proceedings of the Royal Society B, 260(1359), 245–249.
Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht oder weitere Fragen? Ich freue mich, von dir zu hören!
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